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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2019 50)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2019 50: Verwaltungsgericht

Ein Anwalt wurde beschuldigt, gegen Berufspflichten zu verstossen, indem er direkt mit der anwaltlich vertretenen Gegenseite Kontakt aufnahm. Das Bundesgericht erklärte, dass es Ausnahmen geben kann, z.B. bei besonderer Dringlichkeit. Der Anwalt schrieb direkt an eine ehemalige Klientin, obwohl sie von einem anderen Anwalt vertreten wurde, was als Verstoss angesehen wurde. Der Anwalt versuchte, einen Honorarstreit aussergerichtlich zu klären, obwohl die Gegenseite bereits anwaltlich vertreten war. Letztendlich wurde der Anwalt für den Direktkontakt mit der anwaltlich vertretenen Gegenseite bestraft.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 50

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2019 50
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht  Entscheid AGVE 2019 50 vom 31.05.2019 (AG)
Datum:31.05.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:I. Anwaltsrecht 50 Art. 12 lit. a BGFA
Schlagwörter: Anwalt; Anzeige; Anzeiger; Anwalts; Anzeigerin; Kontakt; Kontaktaufnahme; Rechtsvertreter; Direktkontakt; Beilage; Anwaltsrecht; FELLMANN; Honorarstreit; Anwaltskommission; Sinne; WALTER; Kommentar; Bundesgerichts; Dringlichkeit; Klientin; Zusammenhang; Stellungnahme; Honorarforderung; Einigung; Vergleichsvorschlag; Aspekt
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-, Kommentar zum Anwalts- gesetz, Art. 12, 2011

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 50

2019 Anwaltsrecht 309
I. Anwaltsrecht

50 Art. 12 lit. a BGFA
Verletzung der Berufspflichten; unzulässige direkte Kontaktaufnahme
mit der anwaltlich vertretenen Gegenpartei. Keine Gründe ersichtlich,
welche ein solches Verhalten ausnahmsweise rechtfertigen könnten.

Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 31. Mai 2019
(AVV.2018.1), i.S. Aufsichtsanzeige



4.
4.1.
Dem beanzeigten Anwalt wird zudem vorgeworfen, in unzuläs-
siger Weise direkt mit der Gegenpartei (Anzeigerin 2) Kontakt auf-
genommen zu haben, die aber ihrerseits (wieder) durch einen Anwalt
(den Anzeiger 1) vertreten worden sei (vgl. Anzeige).
4.2. (...)
4.3. (...) Eine direkte Kontaktaufnahme mit der Gegenpartei,
die durch einen Anwalt vertreten ist, stellt grundsätzlich einen
Verstoss gegen die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Aus-
übung des Anwaltsberufs im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA dar. Um-
geht ein Anwalt seine Berufskollegen, indem er mit der Gegenpartei
direkt in Kontakt tritt, führt dies zu einer Gefährdung des Vertrau-
ensverhältnisses zwischen dieser und ihrem Rechtsvertreter. Mittel-
bar werden damit das Vertrauen in den gesamten Anwaltsstand und
damit die Interessen des rechtsuchenden Publikums überhaupt in
Mitleidenschaft gezogen (vgl. WALTER FELLMANN in: WALTER
FELLMANN/GAUDENZ G. ZINDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwalts-
gesetz, 2. Auflage, Zürich 2011, Art. 12 N 51a). Nach Auffassung
des Bundesgerichts sind Ausnahmen möglich, wenn sich eine direkte
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Kontaktaufnahme mit der Gegenpartei aufdrängt. Zu denken ist etwa
an Fälle besonderer Dringlichkeit, in denen es nicht möglich ist, den
Rechtsvertreter der Gegenpartei rechtzeitig zu erreichen. Weiter ist
ein Direktkontakt beispielsweise zulässig, wenn die Gegenpartei den
Kontakt selber sucht andere triftige Gründe vorliegen (vgl. Ur-
teil des Bundesgerichts 2P.156/2006 sowie 2A.355/2006 vom 8. No-
vember 2006, E. 4.2; FELLMANN, BGFA-Kommentar, a.a.O.,
Art. 12 N 51, 51c).
5.
5.1.
Das fragliche Schreiben vom 20. September 2016 richtete der
beanzeigte Anwalt direkt an seine ehemalige Klientin (vgl. Beilage 5
zur Anzeige). Diese wurde zu diesem Zeitpunkt im Zusammenhang
mit dem Honorarstreit (VZ.2015.16) vom Anzeiger 1 anwaltlich ver-
treten (vgl. Beilage 4 zur Anzeige). Der beanzeigte Anwalt hatte seit
dem 22. August 2015 Kenntnis vom Mandatsverhältnis (vgl.
Stellungnahme vom 6. März 2018, S. 8; Beilagen 37 und 38 zur
Stellungnahme vom 6. März 2018). Damit hat er die im Honorarstreit
anwaltlich vertretene Gegenpartei (Anzeigerin 2) direkt kontaktiert;
dies, obwohl er vom Vertretungsverhältnis wusste.
5.2.
5.2.1. - 5.2.3. (...)
5.2.4. Obschon der beanzeigte Anwalt im Betreff ("Strafsache
ST.2015.2880 AGZ 45 Js 3977/16") und auch im ersten Abschnitt
("In obiger Angelegenheit ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft
München II zwischenzeitlich weit vorgeschritten.") des Schreibens
vom 20. September 2016 auf das hängige Strafverfahren in Deutsch-
land Bezug nimmt, geht es doch auch, wenn nicht sogar primär da-
rum, die offene Honorarforderung im Sinne einer aussergerichtlichen
Einigung zu erledigen. Auch im beigelegten Vergleichsvorschlag
geht es um den Aufwand, der durch die notwendigen anwaltlichen
und übrigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Geltendmachung
der Honorarforderung verursacht worden ist (vgl. Beilage 5 zur An-
zeige, S. 2 des Vergleichsvorschlags). (...) Demnach ging es entge-
gen den Ausführungen des beanzeigten Anwalts nicht nur um ein
neues eigenständiges Verfahren, in welchem die Anzeigerin 2 nicht
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anwaltlich vertreten war. Vielmehr wollte der beanzeigte Anwalt
(auch) den Honorarstreit aussergerichtlich erledigen. Aber genau in
dieser Angelegenheit war die Anzeigerin 2 anwaltlich vertreten, was
dem beanzeigten Anwalt, wie gezeigt (vgl. vorne, Ziff. 5.1), auch be-
kannt war.
5.2.5.
Schliesslich ist noch - unter dem Aspekt der unzulässigen Be-
einflussung der Gegenpartei - festzuhalten, dass der beanzeigte An-
walt die Anzeigerin 2, obwohl sie grundsätzlich nicht als absolut un-
beholfene Gegenpartei bezeichnet werden kann, in einer nicht unbe-
deutenden Angelegenheit angeschrieben hat. Es ging um die ausser-
gerichtliche Einigung u.a. für eine Forderung von CHF 13'449.50
(vgl. vorne, Ziff. 5.2.3). Vorliegend ist auch der zeitliche Aspekt zu
berücksichtigen; mit Schreiben vom 20. September 2016 forderte der
beanzeigte Anwalt eine Antwort bis zum 30. September 2016. Auf-
grund dieser Umstände bestand demnach die Gefahr einer Beein-
flussung der Anzeigerin 2 und einer allenfalls unzweckmässigen Re-
aktion derselben.
5.3.
Nach dem Gesagten gab es keinen zureichenden Grund für den
beanzeigten Anwalt, die Gegenpartei (Anzeigerin 2) direkt zu kon-
taktieren. Ohne weiteres hätte er zuerst an deren Rechtsvertreter
(Anzeiger 1) gelangen können. Insbesondere ist keine zeitliche
Dringlichkeit für die Kontaktaufnahme mit Schreiben vom 20. Sep-
tember 2016 mit der Klientin des Anzeigers 1 ersichtlich. Der bean-
zeigte Anwalt wäre in dieser Situation verpflichtet gewesen, vorher
den Rechtsvertreter der Anzeigerin 2 zu kontaktieren und diesen
allenfalls um Zustimmung zum Direktkontakt zu ersuchen. Indem er
dies unterliess, verstiess er gegen das Verbot des Direktkontaktes mit
einer anwaltlich vertretenen Gegenpartei. (...) Der beanzeigte An-
walt hat durch seinen Direktkontakt mit der anwaltlich vertretenen
Gegenpartei vom 20. September 2016 deshalb gegen Art. 12 lit. a
BGFA verstossen.

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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